Ein Konflikt ist das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Zielen.

Der Konflikt liegt vor, wenn zwischen Einzelnen oder Gruppen mindestens eine Seite sich in ihrem Denken, Fühlen oder Wollen durch das Handeln der anderen Seite beeinträchtigt fühlt.

Elli steht weinend im Gruppenraum. Mit ihren Händen im Mund schaut sie hilfesuchend ihre Erzieherin an, während Tom ihr erneut mit seinem Spielzeug Auto in die Hacken fährt und sie noch lauter weint.
Zur gleichen Zeit sitzt Michel auf dem Teppich und schaut sich ein Buch an. Luise kommt angelaufen und reißt ihm das Buch aus der Hand. Er steht auf und holt sich ein anderes Buch. Luise schmeißt ihr zuvor erobertes Buch zur Seite und schnappt Michel das nächste Buch weg. Er versucht sich zu wehren und schubst Luise weg, so dass sie anfängt zu weinen.

1. Die Entwicklung eines Kleinkindes 

2. Konfliktmotive 

3. Perspektivübernahme 

4. Die Rolle der Erwachsenen

5. Buchempfehlungen

1. Die Entwicklung eines Kleinkindes

Die in diesem Beitrag betroffene Zielgruppe umschließt Kinder im Alter von  null bis drei Jahren in der Krippe.
Erikson beschreibt die psychosoziale Entwicklung als einen lebenslangen Prozess in acht Phasen. In der frühen Kindheit (ca. 2.-3. Lebensjahr) strebt das Kind nach Autonomie, Stolz und einem festen Willen. Es möchte ohne Hilfe etwas tun dürfen und sich selbst als Handelnder positiv wahrnehmen. In dieser Phase ist das Kind besonders egozentrisch. Es erkennt sein eigenes Ich, begreift sich als eigenständiges Wesen und beginnt sich in einem Spiegel zu erkennen. Dem Kind fehlt die Einsicht, dass seine Sichtweise, nur eine von vielen ist und erkennt nur die eigene Perspektive.  

Die ersten Jahre sind entscheidend für die weitere Entwicklung jedes Kindes. Zu keiner anderen Zeit wächst es schneller oder lernt mehr neue Dinge hinzu. Zu keiner anderen Zeit durchläuft sein Gehirn größere Veränderungsprozesse. Im zweiten Lebensjahr durchlebt das Kind enorme Fortschritte in der Grob- und Feinmotorik, sowie in der sprachlichen und kognitiven Entwicklung. Das Kind lernt seine Umgebung Stück für Stück besser kennen und verstehen

2. Konfliktmotive

Die Konflikte haben einen entwicklungsfördernden Charakter. Sie gehören zum Alltag dazu und sind für die Entwicklung unerlässlich. Kinder erwerben die Fähigkeit, zwischen der Anpassung an die Anderen und der Durchsetzung eigener Interessen einen Weg zu finden. Kinder konstruieren in Selbstbildungsprozessen ihre Welt. Sie erlernen Kompromissfähigkeit, sowie Frustrationstoleranz.
Im Krippenalter handelt es sich zumeist um „interpersonelle Konflikte“. Das bedeutet ein Konflikt zwischen (mindestens) zwei Personen. Bei Kleinkindern ergeben sich Konflikte aus ganz anderen Motiven als bei älteren Kindern.
(Vgl. Haug-Schnabel 2009):
Ab einem Alter von 14 Monaten kommt den „erweckten Bedürfnissen“ eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei geht es darum, das Nächstliegende zu tun, um sein Bedürfnis zu befriedigen. Sobald dies geschehen ist, wird das Objekt, welches dazu einem anderen Kind weggenommen werden musste, uninteressant.
Wie bereits erwähnt strebt das Kind nun nach Autonomie. Es hat das Bedürfnis etwas zu bewirken und nimmt sich selbst als „Versucher“ wahr. Das Kind entwickelt ein neues Empfinden seinen Mitmenschen gegenüber und lernt, dass sein Verhalten etwas bewirkt. Diese neue Erkenntnis testet das Kind aus und lernt, dass sein Handeln eine Reaktion bei seinem Gegenüber bewirkt. Die Reaktionen des Anderen werden beobachtet und erforscht und das Kind bekommt allmählich Interesse am Konfliktpartner.
Mit ca 22 Monaten kommen die Besitzkonflikte hinzu. Das Kind verteidigt seinen Besitz und verwendet zunehmend das Pronomen „mein“. Hier kann es auch zu Situationen kommen, in denen das Kind Spielsachen sammelt und diese verteidigt, ohne wirklich damit zu spielen. Es geht ihm hierbei einfach nur darum etwas zu besitzen und es zu verteidigen.
Darüberhinaus ist ein weiteres Konfliktmotiv die Kontaktsuche. Die aggressiv wirkenden Verhaltensweisen des Kindes zielen eigentlich darauf ab, auf sich aufmerksam zu machen und mit dem Gegenüber in Kontakt zu treten. Hierfür können Einsamkeit oder sogar Langeweile der einfache Grund sein. Das Kind wünscht sich eine Art der Zuwendung.

3. Perspektivübernahme

Wir Erwachsenen unterstellen dem Kind oft Absichten, die es nicht hat. Ein Kind in diesem Alter ist niemals bewusst „böse“. Es ist egozentrisch und sieht sich selbst als den Mittelpunkt der Welt. Die Empathie, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen fehlt ihm noch. Es geht dem Kleinkind in erster Linie darum, sich zu schützen und auf etwas aufmerksam zu machen. Und genau an dieser Stelle, liegt es an uns Erwachsenen herauszufinden, welche Botschaft hinter dem Verhalten des Kindes steckt. Welche Bedürfnisse spielen hier eine besondere Rolle. Möchte das Kind das Gefühl haben gehört und verstanden zu werden? Braucht es Bewegungsfreiraum oder eine Phase zum Entspannen und Ruhen? Oder geht es darum, das Kind auf Augenhöhe anzusprechen und seine nonverbalen Fragen zu verstehen?
Gleichzeitig darf in einer Situation, in der ein Kind aggressives Verhalten zeigt, das andere – wohlmöglich verletzte – Kind, nicht außer Acht gelassen werden. Es gilt sich in beide Konfliktpartner hineinzuversetzen, ohne sie in Täter und Opfer Rollen zu stecken. Beide Kinder sind hier in „Not“ und brauchen Begleitung.

4. Die Rolle des Erwachsenen

Als Erwachsene können wir miteinander sprechen und den Dingen auf den Grund gehen. Kinder sind auf unsere Empathie und unsere Bereitschaft angewiesen, wirklich verstehen zu wollen, was in ihnen vorgeht.
Besonders wichtig ist es im Blick zu haben, dass das Kind keine bösen Absichten hat. Es geht hier in erster Linie, um das Bedürfnis nach Exploration. Es liegt also an uns Erwachsenen die „Aggressionen“ nicht als etwas Negatives zu bewerten. Häufig lässt sich nämlich beobachten, dass die Konflikte einfach nur der Konflikte wegen auftreten, damit die Kinder soziales Handeln erproben können. Kinder sind Forscher. Sie müssen experimentieren und daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen. So ist es auch bei den Konflikten. Das Kind lernt die Reaktionen von Anderen kennen und abschätzen.
Wichtig ist also, dass wir dem Kind keine falsche Absicht unterstellen und wohlmöglich genervt und abwertend reagieren. Dies würde nämlich gegenteiliges bewirken. Wenn das Kind sich abgelehnt fühlt, versteht es die Welt nicht mehr und die Situation verschlimmert sein Verhalten.
Die in einen Konflikt geratenen Kinder benötigen uns Erwachsene als ihre wertschätzenden Begleiter, die sie ernst nehmen.
Das Kind, das ein aggressives Verhalten zeigt möchte gesehen und verstanden werden. Hier sollte dem Kind mit Offenheit begegnet werden. „Ich bin da und möchte verstehen, was du gerade brauchst!“
Die Situation sollte möglichst objektiv beobachtet werden. Was genau ist passiert? Die Kinder können in diesem Alter noch kaum sprachlich äußern, was genau vorgefallen ist. Hier ist es hilfreich wertfrei zu übersetzen, was beobachtet wurde.
Gleichzeitig sollte jedoch sichergestellt sein, dass alle Kinder vor Gefahren und Schmerz geschützt werden. Wir Erwachsenen müssen dazwischen gehen. Sollte es dennoch zu schmerzhaften Situationen kommen ist Trost wichtig. Wobei auch hier beide Kinder beachtet werden müssen. Es bringt an dieser Stelle nichts, dem Kind das haut wütend den Rücken zuzukehren. Hilfreicher ist es, ruhig zu bleiben und den Kindern dabei zu helfen eine Lösung zu finden und zurück ins Spiel zu finden.
Besonders wichtig ist es jedoch auch, dem gehauen Kind zu zeigen, wie es die Situation lösen kann. Ein klares „Stopp“ mit Handzeichen kann hilfreich sein, um seine Grenze zu signalisieren.
Es ist unsere Aufgabe bei vermehrt auffälligen Verhalten, besonders präsent zu sein und die Kinder stark zu machen.
Solche Phasen sind sehr intensiv und verlangen uns einiges an Geduld und Energie ab. Jedoch wünschen wir uns alle eigenverantwortliche und selbstständige Kinder, die respektvoll mit ihren Mitmenschen umgehen. Also liegt es an uns, diese Kinder respektvoll und wertschätzend zu behandeln und sie in ihrem Grundvertrauen zu bestärken.
Wir Erwachsenen müssen versuchen das Verhalten des Kindes zu verstehen und uns bewusst machen, dass Strafen das Fehlverhalten langfristig nicht verändern. Jedes Kind ist verschieden und entwickelt sich ganz individuell und in seinem eigenen Tempo. Besonders in solch intensiven Phasen braucht das Kind uns Erwachsene als seinen sicheren Hafen, wertschätzenden Begleiter, Übersetzer und Tröster. Und vor allem braucht das Kind unsere Anerkennen und bedingungslose Liebe.

5. Buchempfehlungen

Die folgenden drei Bücher können als Unterstützung dienen, das aktuelle Thema gemeinsam mit dem Kind zu bearbeiten. Ganz egal, ob das Kind gerade in der Phase ist häufiger auffälliges Verhalten zu zeigen, oder ob es in der Situation ist, seine Grenze noch nicht deutlich genug kommunizieren zu können. Es ist wichtig, darüber zu sprechen, präsent zu sein und das Kind für das Thema zu sensibilisieren. 

Hinter jeder Emotion, steht ein Bedürfnis.